Die dezentrale Membrankläranlage Neurott

Neurott ist eine kleine Bauernsiedlung mit ca. 60 Einwohnern im Westen von Heidelberg. Ein paar Bauernhöfe, ein beliebtes Ausflugslokal. Nur eins störte die Idylle: Neurott war nicht an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen. Bis 2005 bestand die Abwasserreinigung hier aus abflusslosen Gruben. Bei jeder Leerung war die Umwelt belastet worden, weil stickstoffreiches Abwasser in Grund und Boden gelangte. Das war dem Abwasserzweckverband Heidelberg ein Dorn im Auge. Er beschloss, dies zu ändern. Und da der Anschluss an die Kläranlage in Heidelberg zu teuer gekommen wäre, beauftragte der AZV das Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik der Fraunhofer-Gesellschaft, Stuttgart, (Fraunhofer IGB) in Neurott eine dezentrale Membrankläranlage zu bauen.

Am 17. Dezember 2005 war es dann soweit. Die erste semidezentrale Membrankläranlage, die über eine Membranvorfiltration und eine biologische Stickstoffentfernung verfügt, ging in Deutschland in Betrieb.

Und so funktioniert die Kläranlage: Ein Misch- und Ausgleichstank sorgt dafür, dass der biologische Teil der Kläranlage immer mit Abwasser versorgt wird. Eine Vorklärung entfernt die absetzbaren Stoffe aus dem Abwasser. Darauf folgt der biologische Teil der Kläranlage. Dieser besteht aus zwei Behältern, einer vorgeschalteten Denitrifikation und einer Nitrifikation. Während in der Nitrifikation aus Ammonium zunächst Nitrat entsteht, wird in der Denitrifikation anschließend das Nitrat zu gasförmigem Stickstoff umgewandelt. In beiden Behältern wird außerdem Kohlenstoff abgebaut. Ein Teil des Phosphors wird durch Mikroorganismen gebunden, der Rest wird mit Eisensalzen gefällt. Auf beiden Wegen gelangt der Phosphor in den Überschussschlamm und wird so aus dem Prozess entfernt.


Anstelle einer Nachklarung besitzt diese Klaranlage eine Mikrofiltration, in der die Biomasse vom gereinigten Abwasser abgetrennt wird. Diese besteht aus Rotationsscheibenfiltern mit gesinterten keramischen Membranen. Die Trenngrenze liegt bei 0,2 ƒÊm, ist also erheblich kleiner als die Mikroorganismen, die abgetrennt werden sollen. Das gereinigte Abwasser gelangt in ein unterirdisches Pumpwerk, von dem aus es periodisch in den Vorfluter gepumpt wird.

Das Abwasser wird nun in sieben unterirdischen Zwischenspeichern gesammelt und periodisch uber eine Druckkanalisation mit Hilfe von Schneidradpumpen zur Klaranlage befordert. Die Klaranlage befindet sich mitten im Ort im ehemaligen Feuerwehrgeratehaus. Das Regenwasser in Neurott wird nun auf den Hausgrundstucken versickert und gelangt nicht mehr in das Kanalnetz.

Der Rotationsscheibenfilter ist ein dynamischer Membranfilter, der vom Fraunhofer IGB entwickelt wurde. Der Filter besteht aus einem zylindrischen Gehäuse, in dem ein Stapel keramischer Scheiben auf einer rotierenden Hohlwelle befestigt ist. Durch Anlegen eines geringen Überdrucks von 0,1 - 0,3 bar passiert das Filtrat die Trennschicht von außen nach innen und wird längs der Hohlwelle abgezogen. Die Scheiben rotieren mit etwa 200 bis 400 Umdrehungen pro Minute. Die auf den Scheiben zurückgehaltenen Feststoffe bilden eine Deckschicht, die aufgrund der Zentrifugalkräfte von der Scheibe abgeschleudert wird. Durch diese Deckschichtkontrolle erzielt man über sehr lange Betriebszeiträume hohe spezifische Filtratflüsse.

Die Membrankläranlage Heidelberg - Neurott ist mit drei Rotationsscheibenfiltern in der Nachfiltration ausgerüstet. Jeder dieser Filter hat eine Membranfläche von 7,4 m². Der Auslegungsfluss beträgt 20 l/m²h. Für die Erhaltung des Filtratflusses werden die Filter lediglich regelmäßig mit Filtrat rückgespült, ein Einsatz von Chemikalien ist hierzu nicht nötig. Die chemische Reinigung erfolgt mit handelsüblichen Membranreinigern.

Ein Einsatz, der sich gelohnt hat. „Das gereinigte Abwasser ist – im Hinblick auf Ablaufwerte und Keimbelastung – so sauber, dass man darin baden könnte,“ betont Professor Walter Trösch, stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer IGB. „Es erfüllt die Badegewässerrichtlinie der EU und kann ohne Bedenken in den nahe gelegenen Leimbach eingeleitet werden. Dessen Wasserqualität wird durch das Einleiten des Abwassers sogar verbessert“.

Die Anlage in Neurott ist nicht mehr in Betrieb und kann daher auch nicht besichtigt werden